HANSUELI STETTLER

Obwohl zwei komplexe Marktplatzvorlagen vom Volk bachab geschickt wurden, dass der zentrale und einzige grosse Platz der Stadt St.Gallen autofrei werden soll, darüber herrscht eigentlich ein breiter Konsens.

Auch der Stadtrat hat dies bereits 2014 beschlossen, nur vor der Umsetzung drückt er sich. Dies bestätigte auch Stadtrat Nino Cozzio am 12. August 2014 in einem Interview mit dem Tagblatt auf die Frage, was geschieht, wenn keine der beiden geplanten Parkgaragen Schibenertor und UG24 realisiert wird: „Die Parkplätze müssen so oder so aufgehoben werden.” Die aktuelle, nicht nachvollziehbare Parkplatzzählerei hat also anhand dieser Aussage keine Relevanz.

Verwirrende Parkplatzzählerei

Trotzdem wird allerseits, irritierenderweise auch von der Stadt, über Parkplatzsaldierungen gesprochen. Der Begriff „Saldierung“ bedeutet ursprünglich die Auflösung oder Schliessung eines Kontos. Bezogen auf Parkplätze heisst dies, dass mit einem Schlussstrich zu einem bestimmten Zeitpunkt genug diskutiert ist und bestimmt wird, dass mit den erstellten oder zu erstellenden unterirdischen Parkplätzen die oberirdischen in einem definierten Perimeter aufgehoben werden können. Bei der Bewilligung der Brühltorgarage geschah dies leider nicht. Interessant und entscheidend dabei ist: Die sechs Parkplätze in der Katharinengasse wurden aufgrund eines Rechtsmitteleverfahrens bis ans Bundesgericht aufgehoben, mithin nachträglich saldiert mit der Begründung, dass in der Garage Brühltor genügend Plätze verfügbar seien und die Gegend um den Marktplatz verkehrstechnisch mit ÖV perfekt erschlossen sei. Diese, durch das Bundesgericht gefestigte Begründung würde aufgrund der völlig identischen Situation auch heute noch für die Metzgergasse, die Engelgasse und den Marktplatz zutreffen.

Missachteter Entscheid

In der Rechtfertigungs der Schaffung neuer Parkgaragenplätze nimmt nun der bürgerliche Stadtrat – viele Jahre nach dem Gerichtsentscheid – die besagten sechs Parkplätze in der Katharinengasse wieder in seine Saldierungsrechnung auf, eine Rechnung, die es nach dem Beschluss zum autofreien Marktplatz eigentlich gar nicht mehr geben sollte. Um von der nicht vollzogenen Umsetzung dieses Beschlusses abzulenken, schreibt der Stadtrat nun in seiner Argumentation, die dem Baugesuch zur Erweiterung des privaten Garage UG24 interessanterweise beiliegt: „...mit den beiden Parkgaragen UG24 und Union+ besteht für den Stadtrat die Möglichkeit, dass die Saldierung gelingt.“ Aus dieser Argumentation ist zu schliessen, dass der Stadtrat an seiner eigenen Entscheidungskraft und sogar an jener des Bundesgerichts zweifelt. Es müssen geradezu unheimliche Kräfte sein, mit denen sich der Stadtrat hier nicht gern anlegen will…

Rückschritt in vergangene Zeiten

Bei der schieren Menge der mittlerweile projektierten Parkplätze ist wohl allen klar, dass eine der beiden Garagen genügen würde, zumal selbst die Auslastung der bestehenden Garagen auch nicht überall Befriedigung auslöst. Da aus Prestigegründen auf gar keinen Fall eintreten darf, dass nur am Unteren Graben erweitert wird, teilt der Stadtrat die „Einzugsgebiete” auf und verkleinert diese. So wird jeder bestehenden Wohnung, jedem einzelnen Büroarbeitsplatz ein - vielerorts völlig fiktives - Parkplatzbedürfnis zugerechnet. Mit einigen hundert weiteren Plätzen im Zentrum fördert der Stadtrat den Pendlerverkehr aus den Vorstädten und behindert rechtswidrig den öffentlichen Verkehr.

„Die gesamte abzugsfähige Verkehrsmenge (130 Fahrten pro Stunde) (dank Wegfall der Parkplätze und damit des Such- und Balzverkehrs) kann beim UG 24 angerechnet werden.“

Den Such- und Balzverkehr könnte der Stadtrat bereits heute mit dem bestehenden Angebot eliminieren. (Überprüfen: Die Verkehrszunahme auf dem Unteren Graben betrug in den vergangenen Jahren jeweils 1 bis 3 %. Der Einbau einer Einfahr- und Ausfahrstrecke wird darum mittelfristig zum Verkehrskollaps führen.)

In der UVP schreibt Iso Senn zur im Gesuchsformular geforderten „stichhaltigen Begründung“ für das Bauwerk und die gewählte Bauweise für Bauten im Grundwasser lapidar:

„Durch das Bauwerk bedingt“. Ein simpler Zirkelschluss - kein weiterer Satz, keine inhaltliche Aussage, auch sichtlich kein Bedürfnis, über dieses Projekt stichhaltig und mit stringenten Schlüssen nachzudenken…

Das gibt nun allerdings zu Denken…

Derweil tauchen immer neue utopische Ideen auf, wie die vom TCS Mitte Mai vorgebrachte ÖV-Tunnelidee. Diese ist zwar alt. Sie bleibt aber völlig unrealistisch, da sie wohl kaum finanzierbar ist und unvorhersehbaren Schaden an Gebäuden und der Natur verursachen würde. Eine interessante Verbesserung der Abläufe durch eine Harmonisierung der Fahrpläne brachten wir 2013 ins Spiel. Wie bei den Autobahnspangen stellt sich auch hier die Frage: Warum gedeihen von Leuten, welche bei jeder Gelegenheit für tiefere Steuern plädieren, immer wieder solche unbezahlbaren Ideen?

Es stellt sich zudem die Frage, warum bürgerliche Kreise intensiv von der Kernidee ablenken, die 2011 über das Marktplatzprojekt triumphierte: Nämlich mit einfachen Lösungen das städtebauliche Maximum herausholen und so einen Marktplatz ohne private Autos und mit mobilen Ständen realisieren.

Plan B

Die vorliegenden beiden Garagenprojekte und das ÖV-Tunnelprojekt sind eine Kampfansage an die bisher erreichten ökologischen und städtebaulichen Entwicklungen in St.Gallen. Sie führen uns direkt in die lärmige und gesundheitsgefährdende Vergangenheit zurück. Dabei könnte die Lösung so einfach sein: eine eventuelle, vernünftige Erweiterung der Parkgarage Unterer Graben, Verzicht auf die Garage Schibenertor und Realisation des Plan B des Kommitees vernünftiger Marktplatz, autofrei, mobile Marktstände und belassen der aktuellen ÖV-Situation. Alle weiteren Ideen: Taubenloch, WC usw. können unabhängig angegangen werden.

 

Anhang 1

Externe Unfall- und Umweltkosten im Personennahverkehr

Anhang 2

Reglement für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung sRS 711.3 vom 25. August 2009
Stand: 1.7.2010

Das Stadtparlament erlässt gestützt auf den Beschluss, dem Initiativbegehren „zur Förderung des ÖV, Fuss- und Veloverkehrs in der Stadt St.Gallen (Städteinitiative)“ zuzustimmen, als Reglement:

Art. 1

1
Die Stadt St. Gallen schützt die Bevölkerung vor negativen Auswirkungen des Verkehrs.

2
Die Stadt sorgt für ein attraktives Angebot im Bereich des öffentlichen Verkehrs sowie des Fuss- und Veloverkehrs. Die Stadt ist bestrebt, mit dem Ausbau des Angebotes für diese Verkehrsarten das Wachstum des Gesamtverkehrsaufkommens abzudecken. Stichdatum ist der Zeitpunkt der Annahme dieser Initiative. Die Stadt trifft dazu die notwendigen Massnahmen. Sie strebt diese Zielsetzung im Rahmen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten an und vertritt sie in Verhandlungen mit Dritten.

3
Die Wirkung der getroffenen Massnahmen wird auf der Basis der jährlichen Verkehrsmessungen der Stadt St.Gallen überprüft. Der Stadtrat informiert im Geschäftsbericht jährlich über den Stand der Umsetzung.

Anhang 3

Wertschöpfung der Verkehrsbetriebe Luzern AG und die Bedeutung ihrer Leistungen für die regionale Wirtschaft vom Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR der Hochschule Luzern vom September 2013.
http://www.vbl.ch/fileadmin/customer/Aktuell/Fuer_Medien/Wertsch%C3%B6pfung_vbl_Bericht.pdf

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Links zum Thema Marktplatz und Parkgarage Union